Demoaufruf 21. Juni 2025 – Es braucht mehr als Solidarität, um Genozid und Apartheid zu beenden
Samstag, 21. Juni, 2025, 16:00 Uhr
Bern, Schützenmatte
Verschiedene politische und zivilgesellschaftliche Organisationen rufen am 21. Juni zu einer Solidaritätsdemo mit Gaza auf. Eine Reihe von Organisationen und Kollektiven, die seit fast zwei Jahren regelmässig Demonstrationen organisieren und konsequent auf den Genozid in Gaza, die Vertreibungen im Westjordanland und die Verfolgung palästinasolidarischer Stimmen in Israel und in westlichen Ländern aufmerksam machen, haben den Aufruf nicht unterzeichnet, auch wenn sie für eine Teilnahme an der Demo mobilisieren.
Die Gründe dafür sind unterschiedlich, zentral sind jedoch eine fehlende Sensibilität – und in manchen Fällen schlichtweg eine ignorante Haltung – institutionalisierter Organisationen in Bezug auf den strukturellen kolonialen Kontext in Palästina, die Auswirkungen der Repressionen auf palästinasolidarische Stimmen und die Zusammenhänge zwischen palästinensischen und anderen Freiheitskämpfen. Auch ein konsequenter Bezug auf völkerrechtliche Grundsätze fehlt; eine besorgniserregende Entwicklung mit gefährlichen Implikationen für die nahe Zukunft.
Es überrascht daher nicht, dass sich der Demoaufruf auf eine passive «Solidarität mit Gaza» beschränkt, den grösseren Kontext aber ausblendet. Zum diesem Kontext gehören insbesondere:
1. Die Mitschuld oder direkte Involviertheit der internationalen Staatengemeinschaft (darunter auch der Schweiz) im Genozid an den Palästinenser*innen durch Zusammenarbeit mit israelischen Institutionen, Waffenunternehmen und dem israelischen Militär.
2. Vertreibungen, Pogrome, administrative und militärische Gewalt und Landraub in der Westbank und Ostjerusalem
3. Die institutionalisierte Diskriminierung palästinensischer Menschen mit israelischer Staatsbürgerschaft
4. Die wegweisenden Gerichtsurteile des Internationalen Gerichtshofes von 2024, die Israel als Apartheid und die Besatzung des Westjordanlandes, Ostjerusalems und Gazas als illegal einstufen und die Staatengemeinschaft dazu verpflichten (!), ein Ende dieser Rechtsbrüche herbeizuführen.
5. Die Weigerung Israels, palästinensische Geflüchtete und deren Nachkommen in ihre kolonisierte Heimat zurückkehren zu lassen
6. Die seit Jahrzehnten andauernde rechtswidrige Inhaftierung palästinensischer Menschen und die in israelischen Gefängnissen systematisch angewandte Folter, die in Dutzenden Fällen bereits zum Tod von Gefangenen geführt hat
7. Das Recht einer militärisch besetzten Bevölkerung, sich auch mit Waffen gegen die Besatzung zu wehren, mit der klaren Verpflichtung, Zivilist*innen zu verschonen
8. Die Verfolgung und Inhaftierung kritischer Stimmen in Israel durch die israelischen Behörden
9. Die systematische Behinderung journalistischer Arbeit durch den israelischen Staat und die häufige Übernahme des Diskurses der israelischen Armee und Regierung in hiesigen Medien
10. Die militärische Aggression des waffenstarrenden Israels gegen weitere Länder der Region wie Iran, Libanon und Syrien, unterstützt durch Waffenlieferungen der USA, Deutschlands und andrer EU-Länder
11. Der inflationäre Missbrauch des Antisemitismusvorwurfes zur Unterdrückung palästinasolidarischer Stimmen und der damit verbundene krasse Anstieg von antimuslimischem und antipalästinensischem Rassismus.
Der Demoaufruf ignoriert aber nicht nur den Kontext. Er ignoriert auch zentrale Forderungen aus der palästinensischen Zivilgesellschaft, insbesondere nach Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS) gegenüber Israel.
Wir begrüssen dagegen den Appell der aufrufenden Organisationen an alle Demo-Teilnehmenden, zusätzliche klare Forderungen an den Bundesrat in die Demonstration zu tragen, ohne dass diese Forderungen im Voraus abschliessend definiert wurden. Wir nehmen diesen Appell ernst und rufen dazu auf, zahlreich zur Demonstration zu erscheinen und mit Transparenten und Sprechchören auf folgende Forderungen aufmerksam zu machen:
An Bundesrat, National- und Ständerat: Sanktionen gegen Israel!
Durchsetzen von wirtschaftlichen Sanktionen gegenüber Israel.
Die sofortige Beendigung der militärischen Zusammenarbeit, d.h. die Einstellung des Kaufs von Elbit-Drohnen. Das israelische Unternehmen Elbit ist einer der Hauptlieferanten der Waffen, die im Genozid in Gaza eingesetzt werden. Ebenso die Einstellung des Kaufs von Überwachungstechnologien aus Israel und des Exports von militärisch nutzbaren Komponenten.
Die Einstellung diplomatischer Beziehungen, insbesondere diplomatischer Besuche israelischer Regierungsvertreter*innen in Israel und den Empfang israelischer Regierungsvertreter*innen in der Schweiz.
Schweizer Universitäten: Stoppt die Zusammenarbeit mit israelischen Universitäten
Die Einstellung ALLER Partnerschaften und jeglicher Zusammenarbeit mit israelischen Universitäten. Israelische Universitäten tragen die Besetzung der Westbank, Gazas und Ostjerusalems aktiv mit, fördern Kriegseinsätze und sind eng mit militärischen Institutionen verknüpft.
Die Universität Genf und die Universität Lausanne haben im Juni ihre Zusammenarbeit mit der Hebrew University of Jerusalem zumindest teilweise auf Eis gelegt. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch viel zu wenig. Universitäten schweizweit müssen ihre Verantwortung wahrnehmen, ihre indirekte oder direkte Unterstützung der israelischen Kriegsverbrechen einzustellen.
Schweizerische Kultur- und Sportvereine: Kein Platz für Genozid und Apartheid in Sport und Kultur
Jegliche Zusammenarbeit mit israelischen Kultur- und Sportorganisationen, die vom israelischen Staat Fördergelder erhalten, als Botschafter*innen des genozidalen Staates auftreten, das israelische Militär unterstützen oder gewaltfreien palästinensischen Widerstand diffamieren, müssen beendet werden. Schweizer Fussballvereine müssen sich zum Beispiel für den Ausschluss Israels aus der FIFA einsetzen und die SRG SSR muss sich aus der Eurovision zurückziehen, solange die europäische Rundfunkanstalt EBU Israel nicht vom Wettbewerb ausschliesst.
Zivilgesellschaft in der Schweiz: Israel boykottieren – Genozid und Apartheid stoppen
An Gewerkschaften, Parteien, NGOs, antirassistische Kollektive und an alle in der Schweiz lebenden Menschen:
Demonstrationen sind wichtig, um unsere Forderungen, unsere Wut und unsere Solidarität auszudrücken. Gleichzeitig ist es wichtig, unsere kollektive Macht zu nutzen und gewaltfrei die herrschenden Verhältnisse zu ändern. Wir rufen deshalb Parteien, NGOs und Gewerkschaften dazu auf, BDS und insbesondere Boykotte als legitimes Mittel des politischen Drucks, wie er in vielen Kampagnen und namentlich im Kampf gegen des Apartheidregime im südlichen Afrika praktiziert wurde, zu übernehmen und zu verteidigen.
Wir rufen alle anderen Personen und Kollektive auf, im Rahmen ihrer eigenen Möglichkeiten an Boykottaktionen gegen Israel teilzunehmen. Insbesondere ruft BDS Schweiz zum Boykott nachfolgender am Genozid direkt oder indirekt beteiligter Unternehmen auf. Viele dieser Unternehmen sind auch in anderen Kontexten in Menschenrechtsverletzungen verwickelt:
Hewlett Packard, Axa Versicherungen, Disney+, Soda Stream, Morocconoil, Coca Cola, UBS, Starbucks, Früchte und Datteln von Hadiklaim, Mehadrin und Jaffa. Weitere Boykott-Ziele findest du hier.
In eigener Sache
Die Appelle von BDS Schweiz richten sich immer gegen die Mitschuld und das Mittragen der israelischen Verbrechen und nie gegen die Identität einer Person! Wir vertreten eine klar antirassistische Position und lehnen jede Form der Diskriminierung ab. Unsere Forderungen stützen sich konsequent auf das Völkerrecht und gewaltfreie Formen des Widerstands. Pro-israelische Organisationen und Personen versuchen seit Jahren, uns mit direkten oder indirekten Antisemitismusvorwürfen zum Schweigen zu bringen oder uns Gewalt zu unterstellen. In Deutschland und den USA wird die BDS-Bewegung aktuell kriminalisiert. Ein bedrohlicher Schritt, der direkt im Zusammenhang mit anderen antidemokratischen Entwicklungen einhergeht.
Wir weisen Antisemitismusvorwürfe entschieden zurück und fordern vor allem Journalist*innen dazu auf, ihre journalistische Aufgabe wahrzunehmen, diese Vorwürfe zu hinterfragen und kritisch einzuordnen. BDS verurteilt die Gleichsetzung von jüdischen Menschen mit dem Staat Israel. Jüdische Menschen weltweit sind nicht für die Handlungen des israelischen Staates, des israelischen Militärs oder israelischer faschistischer Siedler*innen verantwortlich und sind auch nicht vom BDS-Aufruf betroffen. Viele israelkritische jüdische Personen und Organisationen in aller Welt tragen die BDS-Kampagne aktiv mit.