Medienmitteilung Presserat zu BDS und Reaktion der SIG

13.09.2021

Categories: Angriffe gegen BDS, Antisemitismus

Genf, 13. September 2021 - Medienmitteilung von BDS Schweiz

 

Anlässlich der letzten Basler Regionalwahlen bezeichnete das Online-Medium "Prime News" in einem Artikel vom 30. Oktober 2020 die Bewegung Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS) als antisemitisch. Die diffamierende Anschuldigung ging sogar so weit, dass Parallelen zwischen der BDS-Bewegung und der Politik der Rassenverfolgung Nazideutschlands gezogen wurden. "Prime News" hatte sich auf Stellungnahmen bezogen, die BDS als antisemitisch bezeichnen, es aber versäumt, qualifizierte Expertenmeinungen und Gerichtsentscheidungen zu zitieren, die dieser Einschätzung widersprechen.

Angesichts dieses neuen verleumderischen Angriffs reichte eine Basler BDS-Aktivistin eine Beschwerde beim Schweizer Presserat ein, der diese an seiner Sitzung vom 7. Juni 2021 guthiess.

Nach der Erklärung des Presserats in Sachen "Prime News" und der Rüge dieser Publikation, sie habe mit ihrer verzerrten Darstellung der BDS-Bewegung die Wahrheitspflicht verletzt, ist der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) auf den Plan getreten.

Der SIG besteht darauf, BDS "antisemitische Handlungsmuster" und "antisemitische Untertöne" zu unterstellen. Angesichts der Wirksamkeit der gewaltfreien, auf internationalem Recht basierenden Kampagnen der BDS-Bewegung versuchen ihre Gegner*innen, sie um jeden Preis zu delegitimieren, indem sie den Vorwurf des Antisemitismus erheben. Der Kampf gegen Antisemitismus wird heute von der israelischen Regierung und ihren Anhängern bedauerlicherweise instrumentalisiert, um Menschenrechtsorganisationen, die sich für die Rechte der Palästinenser*innen einsetzen, zum Schweigen zu bringen. Die BDS-Bewegung hat schon immer klar Stellung gegen alle Formen der Diskriminierung einschliesslich Antisemitismus bezogen und basiert auf den Werten der Gleichberechtigung aller Menschen, auch in Israel/Palästina.

BDS prangert ethnische Säuberungen, Apartheid und Besatzung durch Israel als Völkerrechtsverbrechen an. Internationale Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch und israelische Nichtregierungsorganisationen wie B'tselem haben Israel kürzlich für seine inakzeptable Apartheidpraxis verurteilt. Diese legitime Kritik hat nichts mit Antisemitismus zu tun, da sie eine diskriminierende politische und koloniale Philosophie – den Zionismus – attackiert, ohne in irgendeiner Weise eine Bedrohung für die Existenz und die Gleichberechtigung der jüdischen Bevölkerung in Israel oder anderswo darzustellen. Dieses Recht auf Kritik an einem politischen System wird durch die Gesetze zum Schutz der Meinungsfreiheit garantiert.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erkannte 2020 das Recht von BDS-Anhänger*innen an, ihre Ansichten zu äußern und Kampagnen zu führen, ohne Schikanen, Strafandrohungen, Kriminalisierung oder andere Massnahmen befürchten zu müssen, die gegen das Recht auf freie Meinungsäusserung verstoßen.

Der SIG stützt seinen Vorwurf gegen BDS hauptsächlich auf die Definition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Diese problematische Definition setzt in ihren Beispielen Kritik am Zionismus und dem Staat Israel mit Antisemitismus gleich. Die Verwendung dieser Definition in den letzten Jahren zeigt, dass sie hauptsächlich von Organisationen verwendet wird, die die systematische Verletzung der Rechte der Palästinenser*innen durch den Staat Israel verteidigen oder bagatellisieren.

Die IHRA-Definition und die darin enthaltenen Beispiele wurden sowohl von internationalen als auch von anerkannten israelischen Jurist*innen und Akademiker*innen kritisiert. So stellt die am 25. März 2021 veröffentlichte Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus (JDA) die IHRA-Definition infrage und präsentiert sich als Alternative und Korrektiv zu dieser. Sie wurde von 200 weltweit renommierten jüdischen und israelischen Wissenschaftler*innen im Bereich der Antisemitismusforschung und verwandter Gebiete unterzeichnet.

Der SIG gibt sich besorgt darüber, dass die IHRA-Definition, die die Schweiz kürzlich angenommen hat, vom Presserat nicht berücksichtigt wurde. Diese Definition ist nicht nur schwach, sondern auch rechtlich nicht bindend und nicht praktikabel. Zudem vermischen die zur Definition mitgelieferten Beispiele zu Recht zu kritisierende diskriminierende Haltungen einerseits und legitime Kritik an politischen Strukturen andererseits, die durch das Recht auf freie politische Meinungsäusserung eindeutig geschützt ist (wie der EGMR festgestellt hat). Für die Verfolgung mutmasslicher rassistischer Handlungen verfügt die Schweiz mit Artikel 261b des Strafgesetzbuches und Artikel 171c des Militärstrafgesetzes bereits über klare und unbestrittene Rechtsinstrumente. Daher werden Fälle von Antisemitismus in der Schweiz schon jetzt nach dem Schweizer Strafgesetzbuch und den Antirassismusgesetzen behandelt und nicht nach der IHRA-Definition.

"Wir müssen reden", schreibt SIG-Präsident Jonathan Kreutner an die Adresse des Presserats, dessen Entscheidung er tadelt. Ja, wir müssen reden, aber nicht im Sinne einer Instrumentalisierung des Antisemitismusvorwurfs oder der Einschüchterung kritischer Stimmen. Medien und Journalist*innen sollten es wagen, ihre Stimme zu erheben und das israelische Vorgehe gegenüber den Palästinenser*innen als das zu bezeichnen, was es ist: eine Politik der Apartheid und der systematischen Verletzung von Grundrechten. Wir hoffen auch, dass die Entscheidung des Presserats die Medien in der Schweiz ermutigen wird, in Zukunft faire und fundierte Artikel über die BDS-Bewegung zu veröffentlichen und die Meinungen renommierter Jurist*innen, Menschenrechtsaktivist*innen und NGOs zu berücksichtigen, die die Legitimität der BDS-Kampagne als freie Äußerung der politischen Meinung gegen ein ungerechtes und diskriminierendes politisches Regime anzuerkennen.

 

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