"Botschafterin Israels" Batsheva in Genf

08.11.2017

Categories: Kultureller Boykott

Offener Brief zur Batsheva Dance Company

Genf, 9. November 2017

 

Liebe Tänzerinnen und Tänzer, liebes Publikum, liebe Kulturschaffende

Wie das Genfer BDS-Kollektiv erfahren hat, wird die israelische Tanz-Companie Batsheva im Dezember in unserer Stadt auf Einladung der Association pour la danse contemporaine (ADC) und des Théâtre Forum-Meyrin ihr Stück Last Work aufführen.

Entgegen einer verbreiteten Meinung wenden sich die BDS-Kampagnen nur sehr selten in Bezug auf israelische Kulturschaffende an die Öffentlichkeit. Zahlreiche israelische Künstlerinnen und Künstler treten jedes Jahr in Genf auf, und das war nie ein Thema für uns, da es die BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestition und Sanktionen) ablehnt, KünstlerInnen zu boykottieren. Doch die Verwicklung von Batsheva in die israelische Diplomatie verdient genauere Aufmerksamkeit.

Nur zu gern würden wir der Batsheva Company für die künstlerische Qualität, die Schönheit ihrer Choreografien und den Platz, den sie im Modern Dance einnimmt, applaudieren. Leider ist Batsheva aber mehr als das. Für das israelische Aussenministerium erfüllt die Tanzcompany die wichtige Funktion einer Botschafterin. «Die vielleicht bekannteste globale Botschafterin der israelischen Kultur», ist auf der Website des Aussenministeriums zu lesen.1 Batsheva selbst führt in ihren Jahresberichten die Kultur- und Wissenschaftsabteilung des Aussenministeriums (DCSA) als einen der beiden wichtigsten Geldgeber an. Was ist mit solchen Subventionen verbunden?

Die DCSA hat den Auftrag, über die Konsulate und Botschaften im Ausland die israelische Kulturpropaganda zu steuern. Wie der Schriftsteller Yitzhak Laor 2008 aufdeckte, sind sich die KünstlerInnen bewusst, dass im Gegenzug zur finanziellen Unterstützung «von ihnen erwartet wird, dass sie mit den in Auftrag gegebenen Dienstleistungen den Interessen des israelischen Staates auf dem Gebiet der Kultur und Kunst dienen, indem sie unter anderem dazu beitragen, ein positives Image von Israel zu schaffen».2 Während das Forum-Meyrin erwähnt, dass die Produktion von Last Work durch die israelische Botschaft in Frankreich unterstützt wurde, hat die ADC kurioserweise entschieden, das in ihrer Kommunikation zu verschweigen.

Ohad Naharin, der Batsheva seit 27 Jahren leitet, ist zu Recht ein geachteter Künstler. Er ist aber nicht nur das. Im Jahr 2016 hat er an der Herzliya Conference teilgenommen, einer Veranstaltung, die für Israel so etwas wie das Forum von Davos darstellt und jährlich die führenden Köpfe aus Politik, Diplomatie, Business und Armee zusammenbringt, um über Sicherheit und Aussenpolitik zu diskutieren. Ohad Naharin hatte dort die Rolle des Hofnarren inne. Mit dem Bild eines Oppositionellen, der seinen Körper in die Schlacht wirft, «bevor er sich ergibt» oder «rauswerfen lässt», wie die ADC und das Forum-Meyrin in der Präsentation von Last Work schreiben, hat das herzlich wenig zu tun. Mit solcherlei Formulierungen kolportieren die beiden Genfer Institutionen die Legende von der Subversivität Ohad Naharins, während er sich in Wirklichkeit an institutionellen Überlegungen auf höchster Ebene über die Strategien des israelischen Staates beteiligt.3

Es befremdet uns, dass sich die zwei Genfer Kultureinrichtungen, die mit den Herausforderungen und Auswirkungen internationaler Tourneen vertraut sind, dafür hergeben, den kulturellen Botschafter einer Regierung zu empfangen, die in aller Straflosigkeit alle UNO-Resolutionen verletzt und sich keinen Deut um das humanitäre Völkerrecht schert; ein Regime, das Hunderte Schweizer Kulturschaffende schon mehrfach für sein System des Kolonialismus und der Apartheid verurteilt haben. Im Jahr 2014 haben 600 KünstlerInnen und Kulturschaffende aus der ganzen Schweiz gegen die Bombardierungen des Gazastreifens protestiert.4 Im Jahr 2011 haben Dutzende KünstlerInnen in der Schweiz, darunter Tanzensembles, auf den palästinensischen Aufruf zu Boykott, Desinvestition und Sanktionen gegen das israelische Regime reagiert und sich zugunsten von BDS ausgesprochen, solange der Unrechtszustand anhält.5

Die israelische Regierung hat die PalästinenserInnen in den Bantustans des Westjordanlands und des Gazastreifens eingesperrt. Sie diskriminiert in gravierender Weise die PalästinenserInnen, die direkt ihrer Gesetzgebung unterstehen. Um nur auf die Kultur einzugehen: Allein Batsheva erhält (mit Privatspenden und öffentlichen Subventionen) rund 6 Millionen Franken jährlich (21,4 Mio. NIS), während das gesamte Kulturbudget für die eineinhalb Millionen arabisch-palästinensischen BürgerInnen in Israel vom Staat mit 5 Millionen Franken (18 Mio. NIS) gefördert wird. Das bedeutet, dass 20 Prozent der Bevölkerung des Staates Israel bescheidene 5 Millionen Franken erhalten und damit weniger als die rund hundert Angestellten der Tanzcompany Batsheva.6 Eine offenkundige Verweigerung kultureller Rechte.

Noch mehr ins Gewicht fällt, dass die palästinensischen Kulturschaffenden in Israel, die sich nicht unterordnen wollen, seit einigen Jahren durch die offizielle Zensur schwer in Bedrängnis gebracht werden. Im Juni 2015 strich das israelische Kultusministerium die Subventionen für das Theater Al-Midan (Der Platz) in Haifa, weil es ein Stück über die palästinensischen politischen Gefangenen gezeigt hat. Da es keine Löhne zahlen konnte, stellte das Theater dieses Jahr seine Tätigkeit ganz ein.7 Hat sich Ohad Naharin mit dem Theater solidarisiert? Nein, und trotzdem steht er nach wie vor im Ruf, ein Dissident zu sein.

So stellt sich die Frage: Ist Batsheva noch Kultur? Was muss geschehen, damit der Applaus für die TänzerInnen nicht mit einem Makel behaftet ist und von einem Regime vereinnahmt wird, das versucht, seine verbrecherische Politik zu kaschieren, indem es die Scheinwerfer auf anderes lenkt?

Unsere Argumente liegen auf dem Tisch. Wir denken, auf dieser Basis können alle selbst entscheiden, wie sie auf das Angebot an Vorführungen, Trainings, Workshops und Filmen reagieren wollen, die aus Anlass der Anwesenheit der Batsheva Dance Company in Genf zwischen Samstag 16. und Dienstag 19. Dezember 2017 in Genf auf dem Programm stehen.

Mit freundlichen Grüssen

BDS-Genève und BDS Schweiz

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1 Israel Ministry of Foreign Affairs, http://mfa.gov.il/MFA/AboutIsrael/Culture/Pages/CULTURE- Dance.aspx
2
 Yitzhak Laor, „Putting out a contract on Arts“, Haaretz (25.07.2008) www.haaretz.com/putting-out-a-contract-on-art-1.250388 – Ein umfassenderer Überblick über die israelische Politik der Kulturförderung findet sich im Buch von Eyal Sivan und Armelle Laborie, Un boycott légitime (Ein legitimer Boykott), das im Frühjahr im Promedia Verlag (Wien) auf Deutsch erscheinen wird.
3
 16th Herzliya Conference, June 14-16 2016. Speakers, www.herzliyaconference.org/eng/?CategoryID=557
4 Schweizer Kulturschaffende gegen Rüstungszusammenarbeit, www.bds-info.ch/index.php?id=121&items=346
5 Wir weigern uns, Komplizen zu sein, www.bds-info.ch/index.php?id=121&items=135
6 Batsheva Dance Company. Annual Reports: 2016, https://batsheva.co.il/en/about?open=reports_documents
7 „'Our people will open Al-Midan': Theatre refuses to die in face of Israeli funding axe“ 
Middle East Eye (22.05.2017), www.middleeasteye.net/in-depth/features/Arabic-language-speaking-theatre-refuses-to-die-in-face-of-funding-axe-1119832414

Ein Flyer, der in Genf verteilt wird, kann hier heruntergeladen werden.

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