Offener Brief: Es gibt gute Gründe, nicht am DGTL-Festival aufzutreten

07.10.2019

Categories: Kultureller Boykott

Offener Brief an das Schweizer DJ-Duo Adriatique

Bern, 7. Oktober 2019

 

Liebe Adriatique

Die palästinensische Kampagne für den akademischen und kulturellen Boykott (PACBI) bittet internationale Künstler*innen, nicht am DGTL-Festival 2019 in Tel Aviv aufzutreten. Israelische Bürger*innen haben in einem eigenen Statement zum Boykott des Elektro-Festivals aufgerufen.

Wir schliessen uns diesem Appell ebenfalls an und wenden uns insbesondere an euch als Schweizer Künstler. Mit der Absage eures Auftritts in Tel Aviv könnt ihr ein starkes Statement gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung setzen. Wie Peggy Gou, die ihren Auftritt am DGTL-Festival im letzten Jahr abgesagt hat, könnt ihr die Stimmen der Unterdrückten respektieren. Wie die Elektro-Acts Four Tet, Black Madonna, Caribou und Ben UFO, die sich dem Aufruf #DJsForPalestine angeschlossen haben, könnt ihr euch für gleiche Rechte für alle Menschen in Israel/Palästina einsetzen. Wie zahlreiche weltbekannte Musiker*innen, darunter Lorde, Lana del Rey, Faithless oder Massive Attack, könnt ihr mit einer Konzertabsage klarmachen, dass ihr Besatzung und Apartheid nicht toleriert.

Es gibt gute Gründe dafür, nicht in Israel aufzutreten.

Der Staat Israel gründet auf ethnischer Säuberung, Vertreibung und Ausschluss von Palästinenser*innen. Der Yarkon-Park, wo das Festival stattfinden wird, ist auf den Ruinen des palästinensischen Dorfes Jarisha gebaut. Vor der Staatsgründung Israels lebten dort rund 200 Palästinenser*innen. Sie alle wurden 1948 von zionistischen Milizen vertrieben und das Dorf wurde komplett zerstört. Insgesamt wurden in dieser Zeit über 700'000 Palästinenser*innen aus ihrer Heimat vertrieben. Und was ist mit den Einwohner*innen von Jarisha geschehen? Heute leben mehr als 1300 von dort Geflüchtete und ihre Nachkommen im Exil – ihnen wird eine Rückkehr in die Heimat vom israelischen Staat verwehrt.

Im besetzten Westjordanland wird die israelische Apartheid unter der militärischen Verwaltung des Gebiets immer weiter ausgebaut. Wer einmal vor Ort war, weiss, wie die israelischen Siedlungen immer mehr Land einnehmen und wie die Freiheit der Palästinenser*innen mit jedem neuen militärischen Checkpoint, jeder neuen Strasse, die ausschliesslich israelische Siedler*innen benutzen dürfen, und jedem neuen Mauerabschnitt verschwindet.

Nur wenige Kilometer südlich des Yarkon-Parks, wo das DGTL-Festival stattfinden wird, liegt der Gazastreifen. Die rund 1.8 Millionen palästinensischen Einwohner*innen sind durch die völkerrechtswidrige israelische Blockade in einem Gebiet von der Grösse des Kantons Schaffhausen eingesperrt. Die UNO warnt, dass das Gebiet wegen der harschen Blockade und der wiederkehrenden israelischen Angriffe ab 2020 unbewohnbar zu sein droht.

Auch in Israel selber wird die palästinensische Bevölkerung systematisch diskriminiert. 2018 hat das Parlament ein Apartheidgesetz verabschiedet, das die nichtjüdische Bevölkerung des Staates Israel zu Bürger*innen zweiter Klasse erklärt. Die Partystadt Tel Aviv liegt also in einem Land, das sich der Apartheid verschrieben hat.

Die israelische Regierung nutzt gezielt Anlässe mit internationalen Künstler*innen, um von der brutalen Realität ihrer Politik abzulenken. Mit der offiziellen Regierungsstrategie «Brand Israel» soll das Image des Landes aufpoliert werden. Kulturanlässe mit internationaler Strahlkraft eignen sich besonders, um anstelle des Bildes von Besatzung und Unterdrückung eines von Offenheit und Toleranz zu vermitteln. Kultur wird in dieser Logik zu einem Propagandamittel, mit dem über die massiven Menschen- und Völkerrechtsverletzungen der israelischen Regierung hinweggetäuscht wird. Diese Instrumentalisierung ist auch ein Affront gegenüber internationalen Künstler*innen, die ungewollt für die Zwecke der israelischen Regierung eingespannt werden.

Ihr seht, als Künstler*in nach Israel zu reisen, ist nicht unproblematisch. Wir bitten euch deshalb dringend, euren Auftritt am DGTL-Festival in Tel Aviv abzusagen. Ein Boykott ist eine gewaltfreie Protestform und gleichzeitig ein klares Signal von Kulturschaffenden, die Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen nicht akzeptieren.

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