Britische Labour-Partei suspendiert Jeremy Corbyn

05.11.2020

Categories: Antisemitismus

Britische Labour-Partei suspendiert Jeremy Corbyn

Die Suspendierung von Jeremy Corbyn – die vom derzeitigen Vorsitzenden Keir Starmer gutgeheissen wurde – bedeutet, dass er die Labour-Partei im Parlament nicht mehr vertritt. Er wird bis zu einer Neuwahl als unabhängiger Abgeordneter fungieren.

Keir Starmer wurde von den Labour-Mitgliedern auf der Grundlage eines Programms gewählt, das darauf abzielte, die sich bekriegenden Fraktionen der Partei zu vereinen. Doch Corbyns Suspendierung ist auch Teil einer internen Kampagne zur Säuberung xer Partei von ihren linken und israelkritischen Elementen.

Starmers Wahlkampf wurde zum Teil von einem Multimillionär und Israellobbyisten finanziert, der heimlich 62000 Dollar spendete.

 

Die Rolle der Gleichstellungs- und Menschenrechtskommission

Corbyn reagierte auf einen Bericht der Gleichstellungs- und Menschenrechtskommission (EHRC) mit der vorsichtig sachlichen Bemerkung, das Ausmass von Antisemitismus innerhalb von Labour sei von deren politischen Gegnern übertrieben worden. Diese Aussage wurde als Vorwand für Corbyns Suspendierung genommen.

Die EHRC konnte Labour keinen «institutionellen Antisemitismus» bescheinigen, wie dies israelfreundliche Gruppen forderten, deren Beschwerden der Untersuchung zugrundelagen. Nach 17-monatigen Ermittlungen und jahrelanger Kritik am angeblichen Antisemitismus in Labour durch die Medien und die Israellobby stellte der Ausschuss nur zwei Fälle antisemitischer «gesetzeswidriger Belästigungen» durch Labour-Funktionäre fest. Einer betrifft den ehemaligen Londoner Bürgermeister Ken Livingstone. Die Kommission behauptete, mit der Feststellung, es habe «eine Verleumdungskampagne der Israel-Lobby gegeben, um Kritiker*innen Israels als antisemitisch zu stigmatisieren», darunter Corbyn, hätten Livingstone und Labour «gesetzeswidrige Belästigungen» gegenüber jüdischen Personen begangen.

 

Heftige Spontanreaktionen auf die Säuberung

Len McCluskey, einflussreicher Gewerkschaftsführer und Corbyn-Unterstützer, sagte, es handle sich um «schwerwiegendes Unrecht, das die Partei in Chaos stürzen werde, wenn der Beschluss nicht rückgängig gemacht wird».

Der ehemalige Labour-Abgeordnete Chris Williamson bezeichnete die Suspendierung als Farce und rief zu einer entschiedenen Reaktion auf. Der Bericht hätte «gar nicht erst in Auftrag gegeben werden dürfen […]. Es ist ein klarer Versuch von Zionisten und anderen Rassisten, Antisemitismus als Waffe einzusetzen», sagte er in einem neuen Video. «Sie haben den hochrangigen Sündenbock bekommen, den sie wollten.»

Corbyn hätte aus Protest austreten und eine neue linke politische Partei können, die sehr attraktiv für die breite Bevölkerung sein und den dringend benötigten Wandel in Grossbritannien herbeiführen könnte. Doch bisher zeigt er keinen entsprechenden politischen Willen. Das Mitgliedersekretariat von Labour wird offenbar «überflutet» mit Parteiaustritten.

Corbyns Fraktionsmitglieder des linken Labour-Flügels haben seine Suspendierung zwar verurteilt, doch meist, wenn überhaupt, in sehr milden Worten. Alle Abgeordneten, die sich zugunsten von Corbyn äussern, wissen, dass sie das nächste Ziel dieses willkürlichen, unverantwortlichen und hoch politisierten «Disziplinarverfahrens» in Labour sein könnten. Auch Corbyn reagierte gefügig und forderte die Parteifunktionär*innen auf, den Entscheid «noch einmal zu überdenken». In einer Erklärung betonte er später, er werde sich «entschieden gegen eine politische Intervention zur Suspendierung meiner Person» wehren.

 

Die Israel-Lobby ist hocherfreut

«Wir begrüssen die Entscheidung der Labour-Partei, Jeremy Corbyn zu suspendieren», sagte der Ausschuss britisch-jüdischer Abgeordneter, eine führende pro-israelische Gruppe. «Seine schamlosen Kommentare heute haben gezeigt, dass er weiterhin ein Teil des Problems ist».

Auch die Jüdische Labour-Bewegung, eine zionistische Lobbygruppe, die eng mit der israelischen Botschaft und ihren Agent*innen verbunden ist, begrüsste die Säuberung: Starmer «hat Verantwortung übernommen und Labour hat gehandelt», sagte die Gruppe.

Doch die Hoffnungen der Labour-Aktivist*innen, dass Corbyns Suspendierung das Ende der «Krise» bedeuten würde, wurden enttäuscht. Ein Artikel auf der Titelseite des Jewish Chronicle bestand darauf, dass der EHRC-Bericht kein Ende, sondern einen Anfang markiere: «Es gibt keine Entschuldigungen mehr für Labour. Die Zeit läuft. Antisemiten müssen ausgeschlossen werden – sofort», hiess es.

Der Jewish Chronicle, eine anti-palästinensische und antimuslimische Wochenzeitung, ist im Wesentlichen das Hausblatt der pro-israelischen Lobby in Grossbritannien. Es blickt auf eine lange Geschichte von Diffamierungen von Linken, Palästinenser*innen und ihren Anhänger*innen als «Antisemit*innen» zurück.

 

Die Säuberungen könnten andere Abgeordnete erfassen

Die pro-israelische Lobby hat Massnahmen ergriffen, um diese Drohungen Wirklichkeit werden zu lassen. Die Kampagne gegen Antisemitismus hat sich sofort an Labour gewandt und fordert neben dem Rauswurf von Corbyn auch den von 32 weiteren Labour-Abgeordneten und Präsidentschaftskandidat*innen. Fast alle gehören dem linken Flügel der Partei an. Der Brief ist 72 Seiten lang und wurde eindeutig lange vor der Suspendierung Corbyns vorbereitet. Er endet mit der Aufforderung, die 33 Beschwerden innerhalb von sechs Monaten zu bearbeiten.

Die Israel-Lobby scheint sich nicht damit zu begnügen, Corbyn aufzuschiessen.

 

Quellen:

Electronic Intifada: Israel lobby slaughters Corbyn again
Orient XXI:
Anti-Semitism. Orchestrated offensive against Jeremy Corbyn in the UK

 

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