Der israelische nationale Rundfunk KAN ist an der Eurovision unerwünscht
Kunst- und Kulturschaffende der Schweiz und ehemalige Teilnehmende des Eurovision Song Contests (ESC) fordern in zwei verschiedenen Petitionen von der European Broadcasting Union (EBU) den Ausschluss des israelischen nationalen Rundfunks KAN vom ESC. Sie schliessen sich dadurch ähnlichen und immer lauter werdenden Forderungen aus anderen Eurovision-Ländern an.
Forderung aus der Schweiz an EBU und SRG SSR
BDS[1]-Schweiz hat die Petition an die EBU und die SRG SSR am Dienstag publiziert. Über 100 Kunst- und Kulturschaffende aus der Schweiz unterstützen die Petition als Erstunterzeichnende. Darunter sind die Rapperinnen La Gale und Nathalie Froehlich und Mitglieder der Band Sirens of Lesbos. BDS Schweiz erwartet, dass die Petition ein breites Echo in der Bevölkerung findet und von vielen weitere Menschen unterschrieben wird.
Die Forderung nach dem Ausschluss des israelischen Senders KAN stützt sich auf die vielfach dokumentierten israelischen Verbrechen und darauf, dass die EBU 2022 auch Russland aufgrund des Krieges gegen die Ukraine ausgeschlossen hat. Zu den israelischen Verbrechen zählen die über die Palästinenser*innen errichtete Apartheid, die illegale Besetzung des Westjordanlands, Gazas und Ostjerusalems, die mit unbeschreiblicher Gewalt einhergeht, zum Beispiel in der Form von Landraub, Folter, Eliminierung von Journalist*innen, Hauszerstörungen, Scholastizid, Inhaftierung ohne Anklage und ethnische Säuberung. Seit 2024 hält es der Internationale Gerichtshof zudem für wahrscheinlich, dass Israel im Gazastreifen einen Völkermord begeht.
Die Forderung an die EBU, nicht mit KAN zusammenzuarbeiten, kommt zu einem Zeitpunkt, an dem aufgrund der israelischen Blockade während über zwei Monaten keine Lebensmittel, Medikamente oder andere Güter mehr nach Gaza geliefert werden konnten und bereits mehr als 52’000 Personen bei israelischen Angriffen getötet wurden, die Mehrheit davon Zivilist*innen.
KAN ist aufgrund der Ausstrahlung dehumanisierender, rassistischer Sendungen, die auch vor Apartheid- und Genozidverherrlichung nicht haltmachen, mitschuldig an Israels Völkermord an den Palästinenser*innen in Gaza, an Israels Apartheidregime und illegalen Besatzung. So signierte zum Beispiel eine KAN-Moderatorin in einer Sendung Bomben, die später auf Gaza abgeworfen werden sollten.
An die SRG SSR richtet sich die Petition mit der Forderung, sich bei der EBU für einen Ausschluss Israels vom ESC einzusetzen. Die SRG SSR kann sich damit den nationalen Rundfunksendern in Island, Spanien und Slowenien anschliessen, welche die israelische Teilnahme bereits problematisiert haben.
Bisher hat sich die SRG SSR geweigert, Schritte gegen die israelische Teilnahme zu unternehmen. Ein Brief von BDS Schweiz an den Rundfunk wurde ohne Stellungnahme zum Inhalt einfach nur direkt an die EBU weitergeleitet.
Forderungen von ehemaligen Eurovision-Teilnehmenden an die EBU
Über 70 ehemalige Eurovision-Teilnehmende fordern ebenfalls den Ausschluss von Israel vom Eurovision Song Contest. Artists for Palestine UK (ein Mitglied der internationale BDS-Kampagne) veröffentlichte die Petition «Schliesst Israel von der Eurovision aus» an die EBU auf ihrer Website.
Die Teilnahme des nationalen israelischen Senders KAN an einem Musikwettbewerb, der Frieden und Völkerverständigung fördern soll, ist inakzeptabel, so die Petition.
Unterzeichnet haben sie unter anderen der portugiesische Sänger Paulo de Carvalho, dessen Lied 1974 zum Geheimcode der sogenannten Nelkenrevolution wurde, die Portugals Diktatur stürzte. Weitere Unterstützende sind Charlie McGettigan, der den Wettbewerb 1994 für Irland mit «Rock’n’Roll Kids» gewann, die britisch-jüdische Sängerin Mae Muller (Teilnahme 2023) und die norwegische Band GÅTE, die 2024 teilnahm.
«Schweigen ist keine Option», so die Petition weiter. «Während autoritäre Bewegungen und die extreme Recht überall auf der Welt an Macht gewinnen, wird unsere Verpflichtung unsere Stimme zu erheben nur noch dringender. Gemeinsam sagen wir deshalb der EBU, dass das Mittragen von Israels Genozid in Gaza ein Ende haben muss.»
Wenn Israel trotzdem teilnimmt, soll der ESC boykottiert werden
Die Forderung nach Israels Ausschluss ist nicht neu. Letztes Jahr sind tausende Kulturschaffende und über 60 queere Organisationen dem Ruf der BDS-Bewegung gefolgt und haben aufgrund der israelischen Teilnahme zum Boykott des ESC aufgerufen. BDS steht für Boykott, Desinvestition und Sanktionen gegen Israel, bis der Staat internationalem Recht nachkommt und die universellen Menschenrechte respektiert. Die Bewegung wird von über 200 Organisationen aus der palästinensischen Zivilgesellschaft getragen und fordert auch dieses Jahr insbesondere Kulturschaffende, Eurovision-Fans und Veranstaltungsorte dazu auf, die Teilnahme am ESC abzusagen, den Event nicht zu schauen und keine Eurovision-Partys und -Viewings durchzuführen.
Die EBU zeigt sich bisher unberührt von den zahlreichen Forderungen. In einem Brief an BDS Schweiz betont ESC-Direktor Martin Green, dass die EBU die Eurovision vor Instrumentalisierung bewahren möchte. Diese Aussage ist mehr als zynisch angesichts der Tatsache, dass Israel den Wettbewerb Jahr für Jahr als Plattform nutzt, um von den eigenen Kriegsverbrechen und Völkerrechtsverletzungen abzulenken. Sie zeugt zudem von der fehlenden Bereitschaft der EBU, endlich Verantwortung für einen immer kontroverser werdenden Anlass zu übernehmen.
Solange die legitime Forderung der palästinensischen Zivilgesellschaft nach Einhaltung ihrer grundlegenden Rechte ignoriert wird, unterstützt BDS Schweiz die Forderung der ehemaligen ESC-Teilnehmenden an die EBU, den israelischen Sender KAN auszuschliessen. Falls die Eurovision durch die israelische Teilnahme erneut zu einer Bühne für die Reinwaschung israelischer Kriegsverbrechen werden sollte, ruft BDS-Schweiz zu einem kompletten Boykott der Eurovision im Mai in Basel auf.
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[1] BDS steht für Boykott, Desinvestition und Sanktionen gegen Israel, bis der Staat internationalem Recht nachkommt und die universellen Menschenrechte respektiert.