Nakba 77: 7 Fakten und 7 Forderungen
Nakba bedeutet Katastrophe und beschreibt die ethnische Säuberung und Vertreibung einer Mehrheit der einheimischen palästinensischen Bevölkerung und die Zerstörung hunderter Ortschaften zwischen 1947 und 1949. Sie diente der Schaffung des israelischen Staates als siedlerkoloniales, auf jüdischer Vorherrschaft und Apartheid beruhendes Projekt. In Gedenken an die Nakba nennt die BDS-Bewegung sieben Fakten und stellt sieben Forderungen für eine wirkungsvolle Solidarität:
Fakt Nr. 1: Wie fast alle Siedlerkolonien – von Turtle Island (also Nordamerika) bis Australien – zielt auch Israel in Palästina darauf ab, die indigene Bevölkerung zu eliminieren und sie durch Siedler*innen zu ersetzen und so zu einem «normalen» Staat zu werden. Das zionistische siedlerkoloniale Projekt hat dieses Ziel bisher nicht erreicht; wir Palästinenser*innen stellen nach wie vor die Mehrheit der Bevölkerung im historischen Palästina, sogar wenn die im Exil lebenden Palästinenser*innen nicht dazu gezählt werden.
Heute jedoch möchte Israel sich die Machtübernahme seiner natürlichen Verbündeten, der faschistischen Kräfte in den USA und dem kolonialen Westen, zu nutzen machen, um das umzusetzen, was führende israelische Persönlichkeiten die «Gaza-Nakba» nennen: Die verbleibende palästinensische Bevölkerung soll durch Massenvernichtung und/oder durch rasante Beschleunigung seiner Politik der andauernden ethnischen Säuberung eliminiert werden. Israel ist heute ein Schurkenstaat, weit weg von jeder Normalität.
Fakt Nr. 2: Mit mehrheitlich aus den USA und dem kolonialen Westen stammenden Waffen und anderen Ressourcen ausgestattet, begeht Israel einen Genozid, vernichtet, verstümmelt und vertreibt 2,3 Millionen Palästinenser*innen in Gaza und zerstört den illegal besetzten Landstrich und seine 4000 Jahre alte Zivilisation. Gleichzeitig verschärft Israel seine brutalen Angriffe im besetzten Westjordanland, zerstört Flüchtlingslager und vertreibt zehntausende Menschen.
Dass faktisch weltweit erstmals ein Genozid live übertragen wird, weist auf ein noch nie dagewesenes Level an Straflosigkeit und internationaler Mitschuld mit. Dies manifestiert sich auch in der zunehmenden Aushebelung des internationalen Rechts durch Israel, die USA und den Westen.
Mitschuldig sind nicht nur Staaten, sondern auch Unternehmen und Institutionen – inklusive Universitäten, Sport- und Kulturzentren –, die Israels Propaganda nachplappern oder mit Israel und in Genozid und Apartheid verwickelten Unternehmen und Institutionen weiter Business as usual betreiben. Viele unserer Medien und Social Media-Unternehmen sollten für ihre Rolle bei der Rechtfertigung des Genozids vor Gericht stehen.
Fakt Nr. 3: Gemäss 130 renommierten israelischen Ökonom*innen steht die israelische Wirtschaft vor dem Kollaps. Das zeigt sich an einer massiven Abwanderung von Fachkräften, dem Niedergang der Tech-Industrie und der hohen Arbeitslosigkeit in diesem Sektor, dem Versiegen internationaler Investitionen und einem Kreditrating, das laut Moody nahe am Schrottniveau liegt. Immer mehr Investor*innen betrachten Israel als #ShutDownNation und auf dem vor kurzem veröffentlichten National Brand Index belegt es den letzten von 50 Plätzen. Sogar für den Wirtschaftsbereich hat der Vorsitzende des Israel Export Institute zugegeben, dass «BDS und Boykotte Israels globale Handelslandschaft verändert» haben.
Israel hat trotz massiver eigener Investitionen und der Unterstützung einflussreicher Lobbyorganisationen in Nordamerika und Europa, trotz Greenwashing, Pinkwashing und anderen Formen von Propaganda sein Image als «progressiv» eingebüsst. Israels bekannteste Exportgüter sind heutzutage Technologien und Werkzeuge, die dem Genozid, Kriegsverbrechen, Massenüberwachung, gewalttätiger Repression, Spionage und Wahlbetrug dienen.
Fakt Nr. 4: Trotz der offensichtlichen Mängel und kolonialen Grenzen völkerrechtlicher Mechanismen ist es wichtig anzuerkennen, dass die Bestimmungen des Internationalen Gerichtshofs (IGH) und des Internationalen Strafgerichtshofs im Jahr 2024 mehr denn je Staaten, Unternehmen und Institutionen weltweit dazu verpflichten, die direkte und indirekte Beteiligung an Israels Apartheidregime und der illegalen militärischen Besatzung zu beenden. Wie der ehemalige UN-Menschenrechtsbeauftrage Craig Mokhiber festgehalten hat, ist BDS seit dem IGH-Urteil von 2024, das Israel als Apartheid und die israelische Präsenz in den besetzten Palästinensischen Gebieten als illegal einstuft, «nicht nur ein moralisches Gebot und ein in der Verfassung garantiertes Menschenrecht, sondern auch eine internationale rechtliche Verpflichtung.»
Fakt Nr. 5: Nach mehr als eineinhalb Jahren israelisch-amerikanischem Genozid nehmen Verzweiflung und Hilflosigkeit an vielen Orten zu. Und genau das ist die Absicht. Die zionistische Bewegung von Jabotinsky bis Netanjahu, von Ben-Gurion bis Ben-Gvir und ihre mächtigen, rassistischen, anti-palästinensischen Partner*innen haben immer schon versucht, die Gedanken und Gefühle der einheimischen Palästinenser*innen und ihrer Verbündeten in der internationalen Solidaritätsbewegung mit Hoffnungslosigkeit zu überziehen.
Auch wenn es nicht voraussehbar ist, wann der letzte Schritt im palästinensischen Freiheitskampf erreicht ist, können wir trotz des unaussprechlichen Grauens, dem die palästinensische Bevölkerung ausgesetzt ist, sagen, dass wir diesem Moment näher sind als je zuvor. Die Hoffnung aufzugeben ist keine Option. Wir machen weiter, strategisch und an unseren Prinzipien orientiert, mag kommen, was will.
Fakt Nr. 6: Internationale Unterstützung für die palästinensische Befreiung und Solidarität mit dem intersektionalen Kampf der Palästinenser*innen, vor allem in der Form von BDS, haben ein Allzeithoch erreicht. Gaza ist heute zum Epizentrum des globalen Kampfes gegen die von Israel, den USA und Europa eingeläutete «Macht ist Recht»-Ära geworden.
Gerechtigkeit für Palästinenser*innen ist mehr denn je intersektionell mit anderen antirassistischen, dekolonialen, ökonomischen, sozialen, feministischen und ökologischen Kämpfen für Gerechtigkeit verbunden und jüngere Generationen rufen den Slogan: «Palästina befreit uns alle.»
Palästina ist heute, was Südafrika in den 1980ern war – nicht einfach nur ein Kampf für Freiheit, sondern die Verkörperung dessen, was es heisst, menschlich, moralisch und gerecht zu sein. Internationale Solidarität inspiriert Palästinenser*innen darin, beharrlich zu bleiben und trotz aller Widrigkeiten mit sumoud (Standhaftigkeit) den Widerstand gegen die koloniale Unterdrückung weiterzuführen.
Fakt Nr. 7: Die kollektive Macht der Menschen ist gewachsen und hat die Wirkung der BDS-Bewegung weltweit auf ein neues Niveau gehoben, sodass auf vielen Gebieten politische Veränderungen eingeleitet werden konnten. An Universitäten, in der Kultur, in der Politik, im internationalen Recht und vielen anderen Bereichen hat BDS dazu geführt, das Israel heute anders wahrgenommen und behandelt wird.
Die BDS-Bewegung hat gemeinsam mit einer grossen Anzahl intersektioneller Koalitionspartner*innen viel Vorarbeit geleistet und effiziente strategische und taktische Werkzeuge zur Beendigung der Komplizenschaft auf allen Ebenen entwickelt. Dadurch wurde eine noch nie dagewesene globale Welle wirkungsvoller strategischer Solidarität mobilisiert: aus dem Boden schiessende Apartheidfreie Zonen, Massenproteste, mutige und gewaltfreie Aktionen gegen mitverantwortliche Unternehmen – vor allem im militärischen Sektor –, koordinierte Kampagnen gegen Schifftransporte von Rüstungsgütern und Brennstoffen, Besetzungen von Universitäten und die zunehmende Unterstützung für akademische Boykotte und Desinvestitionen, die hunderten Kulturorte und tausenden Kunstschaffenden und Autor*innen, die sich dem kulturellen Boykott angeschlossen haben, und noch viele mehr zeigen, wie widerstandsfähig die Bewegung ist.
7 DRINGENDE Forderungen
Wenn das Verbrennen, Massakrieren, Verstümmeln, Aushungern und die wiederholte Vertreibung von 2,3 Millionen palästinensischen Kindern, Männern und Frauen die Welt nicht dazu bewegt, den Genozid zu stoppen, wird Gaza nicht nur zum «Friedhof für Kinder» und für das internationale Recht, sondern auch einer für die grundsätzlichen Prinzipien unserer Menschlichkeit.
Um den US-israelischen Genozid und die israelische siedlerkoloniale Apartheid zu beenden, ruft die BDS-Bewegung alle Unterstützer*innen palästinensischer Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit und Würde und alle redlichen Menschen, Grasswurzel-Bewegungen, Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen weltweit dazu auf, sich der wachsenden Anzahl von apartheidfreien Zonen anzuschliessen und den Druck zu erhöhen:
- Forderungen an die UNO und internationale Organisationen: Ausschluss Israels aus der UNO-Generalversammlung und von internationalen Sportveranstaltungen (Olympische Spiele, FIFA, UEFA usw.); Reaktivierung des UNO-Sonderausschusses gegen Apartheid; Beendigung der UNO-Verträge mit Unternehmen (einschliesslich der Tech-Giganten Microsoft, Google und Amazon), die in Israels illegale Besetzung, Apartheid oder Völkermord verwickelt sind.
- Forderungen an Staaten: „wirtschaftliche Beziehungen, Handelsabkommen und akademische Beziehungen, die zu Israels unrechtmässigen Präsenz und seinem Apartheidregime beitragen können“, aufzukündigen oder auszusetzen.
„Ein vollständiges Waffenembargo gegen Israel zu verhängen, das alle Rüstungsabkommen, -importe, -exporte und -transfers einschliesslich Dual-use-Gütern, die gegen die palästinensische Bevölkerung unter der Besatzung eingesetzt werden könnten, stoppt“, so wie es führende UN-Menschenrechtsexpert*innen fordern (#MilitaryEmbargo #EnergyEmbargo).Zu den Verpflichtungen von Drittstaaten gehören auch die Untersuchung und, sofern ausreichende Beweise vorliegen, die strafrechtliche Verfolgung potenzieller israelischer und anderer „Täter*innen, die als Angehörige der israelischen Armee oder der Siedler*innen-Bewegungen Verbrechen bangen haben könnten“, wie Amnesty International dies fordert.
- Forderungen an regionale und lokale Regierungen (einschliesslich Stadtverwaltungen): sofortige Beendigung der Zusammenarbeit mit Israel und all seinen mitverantwortlichen Institutionen und Stadtverwaltungen, Druck auf mitverantwortliche Unternehmen ausüben, sich von ihnen trennen und sie von Verträgen ausschliessen, und eine ethische Beschaffungspolitik sowie gegebenenfalls eine ethische Investitionspolitik anzunehmen, die Verträge mit Unternehmen ausschliesst, die an schweren Menschenrechtsverletzungen und Gräueltaten beteiligt sind. Sie müssen ausserdem die Durchfuhr von militärischen und Dual-use-Gütern nach Israel verhindern.
- Forderungen an Gewerkschaften und Berufsverbände: Solidarität in ernsthaften Druck auf Regierungen, Unternehmen und Institutionen zu übersetzen, auch durch Desinvestition und friedliche Störaktionen, um sicherzustellen, dass die von ihnen vertretenen Arbeitnehmer*innen nicht in Handlungen involviert werden, die eine Komplizenschaft mit Völkermord, Apartheid und Israels illegaler Besetzung darstellen.
- Forderungen an akademische und kulturelle Institutionen: alle Verbindungen mit dem Apartheidstaat Israel und seinen mitschuldigen Institutionen zu kappen; sich von mitverantwortlichen Unternehmen zu trennen; und ethische Richtlinien für Berufs- und Geschäftsbeziehungen einzuführen
- Forderungen an mitverantwortliche Unternehmen: Beendigung ihrer Komplizenschaft mit Israels Völkermord, Apartheid und illegaler Besatzung, indem zusätzlich zu den oben genannten institutionellen Forderungen der Boykott von primären BDS-Zielen durch die Basis verstärkt wird.
- Forderungen an Rechts- und Menschenrechtsorganisationen: Nachforschungen anzustellen und gegebenenfalls Druck auf die zuständigen Behörden auszuüben, um Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen. Alle Israelis, Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit sowie internationale Personen und Entscheidungsträger*innen, die im begründeten Verdacht stehen, an internationalen Verbrechen gegen Palästinenser*innen beteiligt zu sein oder zu solchen Verbrechen angestiftet zu haben, strafrechtlich zu verfolgen.