Während der seit über einem Jahr anhaltende Völkermord in Gaza weitergeht, gibt es in der Schweiz einige Lichtblicke für Veränderungen
Seit einem Jahr übernehmen die meisten PolitikerInnen und Medien in der Schweiz die israelische Propaganda und versuchen, die Solidaritätsbewegung mit Palästina zu verunglimpfen. Damit vernachlässigen Journalist:innen ihre ethischen Grundsätze und ihren Berufscodex und Politiker:innen ihre Verantwortung und ihre Pflichten. Dies trägt zur Entmenschlichung des palästinensischen Volkes bei, während es gleichzeitig einen Völkermord erleidet.
Glücklicherweise scheinen sich einzelne Organisationen der Zivilgesellschaft diesem Trend zu entziehen und setzen sich für eine verantwortungsvolle Schweiz ein, die angesichts von Verletzungen des internationalen und humanitären Rechts Rechenschaft fordert.
Im Gegensatz zur Sozialdemokratischen Partei haben die JUSO mutig Boykott, Desinvestition und Sanktionen gegen den Staat Israel beschlossen, wie vom Internationalen Gerichtshof empfohlen. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten, die BDS-Bewegung und die Sozialistische Jugend wurden beschuldigt, antisemitisch zu sein.
Diese Bemühungen, BDS durch die Instrumentalisierung des Kampfes gegen den Antisemitismus zu kriminalisieren, verlieren jedoch zunehmend an Wirkung.
Jetzt hat die Palästina-Solidaritätsbewegung ein neues, wichtiges Instrument in ihrem juristischen Arsenal. Wir können uns nun auf die offizielle Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs vom 19. Juli 2024 berufen, um glaubhaft zu argumentieren, dass die Beteiligung an Boykott, Desinvestition und Sanktionen gegen israelische Besatzung, Kolonialisierung und Apartheid nicht nur moralische Gebote und Verfassungs- und Menschenrechte sind, sondern auch eine völkerrechtliche Verpflichtung.
Die Sozialistische Jugend ist nicht die Einzige, die eine Initiative für Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit in Palästina ins Leben gerufen hat. Auch die Sozialistische Partei der Schweiz hat kürzlich auf ihrem letzten Delegiertenkongress zwei Resolutionen in dieser Richtung verabschiedet.
Die antimilitaristische Gruppierung GSoA hat an den Bundesrat appelliert, die militärische Zusammenarbeit und die Rüstungsbeziehungen mit Israel und anderen Ländern des Nahen und Mittleren Ostens sofort einzustellen. In diesem eindringlichen Appell wird der Bundesrat aufgefordert, die Verantwortung der Schweiz als Hüterin der Genfer Konventionen wahrzunehmen und sich aktiv für die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und für einen gerechten Frieden in Israel/Palästina einzusetzen.
Ausserdem, und das ist hoffentlich erst der Anfang, hat die Schweizer NGO CAMPAX eine Petition lanciert, um die weitere Finanzierung von UNRWA, dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten, zu fordern.
Im April und August 2024 wiesen sowohl ein unabhängiger Bericht als auch eine interne UN-Untersuchung die Vorwürfe zurück, die Israel Anfang des Jahres gegen UNRWA-MitarbeiterInnen erhoben hatte.
Im Juni beschloss der Bundesrat nach monatelangen Kontroversen, mit Unterstützung der Ausschüsse beider Kammern, eine erste Tranche von 10 Millionen Franken an die UNO-Agentur auszuzahlen. Am 9. September verabschiedete der Nationalrat jedoch den Empfehlungen der SVP folgend eine Motion, die auf die vollständige Abschaffung der Schweizer Beiträge abzielt.
Die Motion muss noch vom Ständerat an seiner Dezember-Sitzung genehmigt werden. Es ist daher dringend erforderlich, die Mitglieder des Ständerats aufzufordern, dem Misstrauensvotum des Nationalrats gegen die UNRWA nicht zu folgen, denn ohne diese ist die Bereitstellung von Nothilfe für die Opfer in Gaza kaum möglich.
Darüber hinaus riskiert die Schweiz, wegen Verletzung der Völkermordkonvention angeklagt und wegen Mittäterschaft verfolgt zu werden, sollte sie der UNRWA den Geldhahn zudrehen, wie aus einer internen Notiz des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hervorgeht.
Die Solidaritätsbewegung mit dem palästinensischen Volk muss sich weiter ausweiten, und die Zivilgesellschaft muss die Regierung weiterhin an ihre Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten erinnern. Und das so lange, bis die Schweiz das Völkerrecht und das humanitäre Recht respektiert und einhält, überall und ohne Doppelmoral.