Menschenrechtsorganisationen fordern Ausschluss von Siedlungsmannschaften

21.04.2017

Categories: Sportboykott

Über hundert Sportverbände, Gewerkschaften, Menschenrechts- und kirchliche Organisationen, die zusammen Millionen von Menschen aus 28 Ländern auf der ganzen Welt repräsentieren, haben sich heute Fussballstars, Gelehrten, Filmschaffenden und Regierungsvertretern angeschlossen und gemeinsam einen Brief an die Mitglieder des FIFA-Rats geschrieben. Darin fordern sie die FIFA auf, vom israelischen Fussballverband mit Nachdruck den Ausschluss von sieben Vereinen aus illegalen Siedlungen zu fordern oder ansonsten Israels Mitgliedschaft in der FIFA zu suspendieren.

Der Brief wurde im Vorfeld des kommenden 67. FIFA-Kongresses am 10. und 11. Mai 2017 an die Mitglieder des FIFA-Rats übergeben. Unter den Unterzeichnenden ist der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für die Besetzten Gebiete Richard Falk, der ehemalige brasilianische Minister für Menschenrechte Paulo Sérgio Pinheiro, die bekannten britischen Filmmacher Ken Loach und Paul Laverty, der ehemalige peruanische Fussballstar Juan Carlos Oblitas Saba, der ehemalige Athlet und Präsident des Peruanischen Kongresses Daniel Fernando Abugattás Majluf sowie die brasilianische Gewerkschaft CUT mit über 7,4 Millionen Mitgliedern.

Der Brief kritisiert die FIFA für wiederholte Verzögerungen und die selektive Durchsetzung der eigenen Regeln, die es Mitgliedsverbänden untersagt, Spiele auf Territorium eines anderen Verbands ohne dessen Genehmigung auszutragen. Die israelische Liga verletzt diese Regel ganz klar, indem sie gegen den Willen des palästinensischen Verbandes Spiele im besetzten palästinensischen Gebiet austrägt.

Es ist ein Skandal, dass der Bericht der FIFA-Kontrollkommission, die 2015 gegründet wurde, um eine Lösung für die Situation des Fussballs in Israel/Palästina zu finden, nicht auf der Agenda des kommenden FIFA-Kongresses steht. Einmal mehr scheint die FIFA eine Lösung hinauszuzögern, um keine Massnahmen ergreifen zu müssen. Der palästinensische Fussballverband hat nun einen eigenen Antrag eingereicht.

Der Brief macht auch deutlich, dass die FIFA in Konflikt gerät mit ihrem kürzlich geäusserten Bekenntnis, international anerkannte Menschenrechte respektieren und fördern zu wollen. „Dieses lobenswerte Ziel wird an der tatsächlichen Umsetzung gemessen werden“, steht im Brief. Es wäre eine Tragödie für alle und ein schlechtes Zeichen für die FIFA, wenn ihr neu deklarierter Grundsatz bereits „an der ersten Hürde scheitern“ würde.

Juan Carlos Oblitas Saba, sportlicher Leiter des Peruanischen Fussballverbands und ehemaliger Fussballstar, der Peru dutzende Male in internationalen Spielen und Meisterschaften vertreten hat, bemerkte: „Die Position der FIFA gegenüber Menschenrechten soll möglichst transparent sein, und kein Land kann sich über die Verurteilung der [israelischen] Siedlungen durch die Vereinten Nationen hinwegsetzen. Ich habe mein ganzes Leben dem Fussball gewidmet. Ich habe mich nie in politische Angelegenheiten eingemischt, aber hier wird in Bezug auf die Rechte und die Würde der Palästinenser_innen klar eine Grenze überschritten.“

P.J. Mguni, südafrikanischer Parlamentarier und Mitglied des südafrikanischen Parlaments-Fussballvereins, äusserte sich kürzlich an einer Veranstaltung in Johannesburg wie folgt: „Die israelische Apartheid muss von internationalen FIFA-Veranstaltungen ausgeschlossen und isoliert werden, weil ein Boykott von unmenschlichen und unfairen Zuständen im Sport entscheidend zur Wiederherstellung von Frieden und Würde in dieser Region, insbesondere für das palästinensische Volk, beitragen kann. Den Südafrikaner_innen sollte bewusst sein, dass die Weltgemeinschaft durch die internationalen Isolierung der südafrikanischen Apartheid vor 1994 einen wichtigen Teil unseres Rückhalts darstellte. Genauso sind unterdrückte Menschen auf der ganzen Welt ein Teil von uns. Als Südafrikaner_innen müssen wir also Menschen unterstützen, die noch immer für ihre Emanzipation kämpfen, wie die Palästinenser_innen unter der offenkundigen Apartheid des israelischen Staates.“

Hind Awwad von der palästinensischen Kampagne für den Akademischen und Kulturellen Boykott von Israel sagte: „Israel missbraucht diesen wundervollen Sport, um die Völker- und Menschenrechtsverletzungen reinzuwaschen. Die FIFA lässt dies auf beschämende Weise zu und beschädigt damit den eignen Ruf. Der Weltfussballverband muss begreifen, dass die Palästinenser_innen und internationale Menschenrechtsverteidiger_innen an ihrer legitimen Forderung festhalten werden, dass die FIFA den israelischen Fussballverband letztlich suspendieren muss, da er Siedlungsklubs einschliesst, die auf gestohlenem palästinensischem Land spielen, der regelmässig den palästinensischen Sport attackiert, gezielte Fussballstadien zerstört und palästinensischen Sportler_innen verhaftet, foltert und in ihrer Bewegungsfreiheit einschränkt.“

Dr. Geoff Lee von der britischen Kampagne Red Card Israeli Racism sagte: „Den Rassismus im Sport zu überwinden hilft, den vom israelischen Staat hochrangig praktizierten Rassismus zu überwinden. Israelische Gesetze, Militäraktionen und bürokratische Hürden unterdrücken nicht nur den palästinensischen Fussball, sondern die palästinensische Gesellschaft als Ganzes. Um das zu ändern, sind Sanktionen nötig. Wir verlangen, dass die FIFA Israel durch Suspendierung des nationalen Fussballverbands in der FIFA und der UEFA sanktioniert, bis sich Israel an das Völkerrecht hält und die Menschenrechte der Palästinenser_innen respektiert.“

 

Hinweise:

  • Die FIFA ist der leitende Dachverband des internationalen Fussballs und wird als solcher von der Zivilgesellschaft weltweit seit 2011 aufgefordert, sich in Hinblick auf die anhaltenden israelischen Menschenrechtsverletzungen die eigenen Regeln und das Völkerrecht zu respektieren.

  • In den vergangenen Monaten haben der UN-Sonderberater für Sport im Dienste von Frieden und Entwicklung, 66 EU-Parlamentsmitglieder, über 30 Schweizer Parlamentarier_innen, mehr als 40 Mitglieder des dänischen Parlaments, 38 Mitglieder des Unterhauses des britischen Parlaments sowie die Menschenrechtsorganisation Humans Rights Watch die FIFA aufgefordert, das Problem der Siedlungsklubs zu lösen.

  • Im Dezember 2016 hat der UN-Sicherheitsrat erneut bestätigt, was Rechtsgelehrte und UN-Resolutionen bereits seit Langem feststellen: dass der Siedlungsbau im besetzten palästinensischen Gebiet „keine rechtliche Gültigkeit hat und eine schwerwiegende Völkerrechtsverletzung darstellt“. Die Unterzeichnenden des Briefs erinnern die FIFA an die „Verpflichtung, nicht zu solchen Verletzungen beizutragen“.

  • Unter den Unterzeichnenden des Briefes befinden sich auch die Italienische Union des Sports für alle (Unione Italiana Sport Per tutti; UISP) mit 1,3 Millionen Mitgliedern und über 17'750 angeschlossenen Sportvereinen, Sport Against Violence in Iraq, Organisator des Baghdad Marathons, die brasilianische Bewegung der Landlosen, der sich über 1,5 Millionen Menschen angeschlossen haben und die eine der grössten sozialen Bewegungen Lateinamerikas ist, die britische NGO War on Want sowie NGO-Plattformen aus Frankreich (40 angeschlossene Organisationen) und Norwegen (30 angeschlossenen Organisationen).

  • Der Brief wurde von zahlreichen kirchlichen Organisationen unterzeichnet, darunter Pax Christi UK, Friends of Sabeel UK and North America, American Friends Service Committee, Lutherans for Justice in the Holy Land, United Church of Christ Palestine Israel Network, United Methodists for Kairos Response (UMKR) und Episcopal Peace Fellowship Palestine Israel Network.

  • Der Brief wurde von einer Reihe jüdischer Gruppen unterzeichnet, darunter Jewish Voice for Peace mit ihren 60 Ortsgruppen in den USA, Union Juive Française pour la Paix, Jews for Justice for Palestinians-UK, die schwedischen Juden für einen gerechten Frieden in Israel und Palästina und die Schweizer Jüdische Stimme für Demokratie und Gerechtigkeit in Israel/Palästina.

  • Tokyo Sexwale, Vorsitzender einer FIFA-Kommission, die 2015 eingesetzt wurde, um Hindernisse für die Entfaltung des palästinensischen Fussballs zu beseitigen, hat am 22. März 2017 den Entwurf für einen Bericht vorgelegt. Darin werden drei mögliche Vorgehensweisen vorgeschlagen, wie die FIFA das Problem der Siedlungsklubs angehen kann: Den Status Quo aufrecht erhalten und juristische Konsequenzen riskieren; erneute Verhandlungen zwischen dem israelischen und dem palästinensischen Fussballverband anregen; oder dem israelischen Verband ein Ultimatum von sechs Monaten stellen, „um die Situation zu bereinigen“.

 

Englischer Originaltext auf bdsmovement.net
Übersetzung: BDS Schweiz

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