Israels Verstösse gegen das Völkerrecht (Factsheet)

01.01.2016

Categories: BDS-Argumente, Internationales Recht

Israel verstösst mit seiner Politik gleich mehrfach gegen das Völkerrecht, was auch bereits explizit von relevanten internationalen Institution festgestellt wurde. Die folgende Aufzählung soll einen Überblick verschaffen, ist jedoch nicht abschliessend. 

 

Besatzung der Westbank, von Ostjerusalem und der Golanhöhen seit 1967

Besatzung wird durch das humanitäre Völkerrecht (IHL) definiert als vorübergehendes Regime zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in einem Gebiet, das während eines bewaffneten Konflikte erobert wird, bis dieses Gebiet wieder seine Souveränität zurückerhält. Die Rechte und Pflichten einer Besatzungsmacht sind in der Vierten Genfer Konvention (Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten) völkerrechtlich verankert. Diese verbietet in Artikel 49 Siedlungsaktivitäten auf besetztem Gebiet: «[...] Die Besetzungsmacht darf nicht Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet deportieren oder umsiedeln.»

Gestützt auf das humanitäre Völkerrecht hat der Sicherheitsrat der UNO (UNSC) die Siedlungsaktivitäten durch Israel in den besetzen Gebieten in mehreren Resolutionen verurteilt:

  • Die UNSC Resolution 242 (1967): fordert den Rückzug Israels „aus (den) besetzten Gebieten.
  • In der UNSC Resolution 446 (1979) hält der Sicherheitsrat fest, „dass die Politik und Praxis Israels bei der Gründung von Siedlungen in den Palästinensischen und Arabischen Gebieten, die seit 1967 besetzt waren, keine rechtliche Gültigkeit besitzen und ein ernsthaftes Hindernis begründen, um einen umfassenden, einfachen und dauernden Frieden im Nahen Osten zu erreichen.“
  • Die UNSC Resolution 478 (1980) verurteilt die Annexion Ost-Jerusalems.
  • Die UNSC Resolution 497 ( 1981) verlangt von Israel, seine Annexion der Golanhöhen rückgängig zu machen.

 

Bevölkerungstransfer und Ethnische Säuberung

Die Vierte Genfer Konvention sowie der Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (2002) erklären Bevölkerungstransfers durch eine Besatzungsmacht zu Verbrechen. Im Kontext des israelischen Siedlerkolonialismus finden in den besetzten Gebieten laufend Enteignungen und Zwangsumsiedlungen der einheimischen PalästinenerInnen sowie die Ansiedlung jüdischer SiedlerInnen statt. Dies entspricht einer ethnischen Säuberung und einem Bevölkerungstransfer.

 

Mauer

2002 begann Israel mit dem Bau einer über 700 km langen Absperrung entlang der Grenzlinie zwischen Israel und dem Westjordanland. Die Absperrung besteht aus einer acht Meter hohen Betonmauer, schwer gesicherten Metallzäunen mit Stacheldraht, Gräben, Bewegungsmeldern und Wachtürmen. Die Absperrung verläuft zum überwiegenden Teil auf dem Territorium des Westjordanlandes, jenseits der grünen Linie. 2004 erklärte der Internationale Gerichtshof in einem von der UNO-Generalversammlung in Auftrag gegebenen Gutachten, dass Israel mit dem Bau der Anlagen gegen Völkerrecht verstosse.

 

Flüchtlinge und Rückkehrrecht

Zwischen 1947 und 1949 wurden im Kontext der Staatsgründung Israels rund 750.000 PalästinenserInnen vertrieben und ihr Hab und Gut durch das Gesetz über das Eigentum Abwesender von 1950 dem israelischen Staat zugeschlagen. 1967 kam es erneut zur Vertreibung von rund 300.000 Menschen. Die Zahl der palästinensischen Flüchtlinge und ihrer Nachkommen beträgt heute schätzungsweise 5 Millionen. Nach Artikel 147 der Genfer Konvention stellt die „ungesetzliche Deportation oder Versetzung“ von geschützten Personen sowie die „Zerstörung und Aneignung von Gut, die nicht durch militärische Erfordernisse gerechtfertigt sind und in grossem Ausmass auf unerlaubte und willkürliche Weise vorgenommen werden,“ schwere Verletzungen der Konvention dar.“ Die UNO-Generalversammlung hält in der Resolution 194 (Art.11) fest, dass „denjenigen Flüchtlingen, die zu ihren Wohnstätten zurückkehren und in Frieden mit ihren Nachbarn leben wollen, dies zum frühestmöglichen Zeitpunkt gestattet werden soll“. Dieser Artikel bildet die Basis des Rückkehrrechts der palästinensischen Flüchtlinge.

 

Zivile, politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte

Unter der Besatzung und durch das diskriminierende Rechtssystem in Israel werden den PalästinenserInnen systematisch Rechte vorenthalten, die im Völkerrecht festgehalten werden (Menschenrechtsabkommen, Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte). Darunter fallen insbesonderedie Bewegungsfreiheit, das Recht auf angemessenen Lebensstandart, das Recht auf Gleichbehandlung, das Rückkehrrecht, Familien- und Eigentumsrechte, das Recht auf freie Meinungsäusserung etc.

 

Kollektive Bestrafung

Israel betreibt mit der „Dahiya Doktrin“ explizit eine Politik der kollektiven Bestrafung. Zur Anwendung kommt sie zum Beispiel bei der Blockade des Gazastreifens oder wenn Häuser der Familie von PalästinenserInnen, die des Terrorismus bezichtigt werden, zerstört werden. Dabei wird massive Gewalt gegen die gesamte Zivilbevölkerung angewendet, um Druck auf politische Gegner auszuüben. Artikel 33 der Vierten Genfer Konvention definiert kollektive Bestrafung als Kriegsverbrechen : „Keine geschützte Person darf für eine Übertretung bestraft werden, die sie nicht persönlich begangen hat. Kollektivstrafen wie auch jede Massnahme zur Einschüchterung oder Terrorisierung sind verboten.“

 

Gaza

Seit 2007 leben die Menschen im Gazastreifen unter einer totalen Land-, See- und Luftblockade, die das ganze Gebiet in eine humanitäre Katastrophe trieb. Es herrscht breiter Konsens unter Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch unddem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes, sowie dem Büro der UNO zur Koordinierung der Humanitären Hilfe (UNOCHA) und dem UNO-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRAW), dass diese Belagerung illegal ist. Ein Bericht, der 2009 im Auftrag des Menschenrechtsrates der UNO von der United Nations Fact Finding Mission on the Gaza Conflict unter Federführung des südafrikanischen Richters Richard Goldstone verfasst wurde, verurteilt die Blockade des Gazastreifens, unter anderem als „kollektive Bestrafung“, die dazu diene, die Küstenregion zu isolieren (siehe Bericht Goldstone auf Englisch).

 

Recht auf Selbstbestimmung

Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist eines der Grundprinzipien des Völkerrechts und wird allgemein als gewohnheitsrechtlich geltende Norm anerkannt. Es besagt, dass ein Volk das Recht hat, frei über seinen politischen Status und seine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu entscheiden (UNO-Resolution 1514, 1960, Art. 2). Die UNO-Generalversammlung bestätigt in der Resolution 3236 (1974) die unveräusserlichen Rechte des palästinensischen Volkes, darunter das Recht auf Selbstbestimmung und das Recht auf nationale Unabhängigkeit und Souveränität.

 

Kolonialismus

Die UNO-Resolution 1514 (1960) verurteilt Kolonialismus in allen seinen Erscheinungsformen: „Unterwerfung von Völkern unter fremde Unterjochung, Herrschaft und Ausbeutung stellt eine Verweigerung grundlegender Menschenrechte dar, steht im Widerspruch zur Charta der Vereinten Nationen und ist ein Hindernis für die Förderung des Friedens und der Zusammenarbeit in der Welt.“ (Art. 1). Die von Israel begangenen Völkerrechtsverletzungen sind Akte des Kolonialismus: Verletzung der territorialen Integrität, Verletzung der palästinensischen Souveränität über die natürlichen Ressourcen, Integration der Wirtschaft in den besetzen Gebieten in die israelische Wirtschaft, Verweigerung der grundlegenden sozialen Rechte, etc.

 

Systematische, institutionalisierte Diskriminierung und Apartheid

Apartheid ist ein System der institutionalisierten Diskriminierung und Unterdrückung aufgrund ethnischer Zugehörigkeit und ist unter dem Völkergewohnheitsrecht verboten. In der Konvention über die Beseitigung der Rassendiskriminierung (1965, Art. 3) wurde Apartheid ausdrücklich verboten und in der Apartheid-Konvention (1973) und dem Römer Statut des IGH (2002) als Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter Strafe gestellt. Das israelische Regime hat Rassendiskriminierung in Israel und den besetzten Gebieten institutionalisiert und verfolgt somit eine Politik der Apartheid. Der Staat privilegiert innerhalb seines Teriitoriums und als Besatzungsmacht Juden/Jüdinnen systematisch, unterdrückt das gesamte palästinensische Volk und kolonisiert die besetzen Gebiete, mit der Absicht, dieses Regime im gesamten Gebiet des historischen Palästinas vor 1948 langfristig aufrechtzuerhalten.

 

 

Weitere Informationen:

„ Völkerrechtskonformes Einfordern palästinensischer Rechte – Richtlinien“, Ein Ergebnisdokument der Konferenz „Law and Politics: Options and Strategies for the Palestinian People in International Law“, Rechtsinstitut der Universität Birzeit, 8.–9. Mai 2013
http://lawcenter.birzeit.edu/userfiles/Public_Report_BZU_Conference_FINAL.pdf

 

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