Erste Schritte der UNO für ein Ende der israelischen Straflosigkeit

22.10.2017

Categories: Desinvestition

„Nach Jahrzehnten der Enteignung von Palästinenser_innen, der israelischen Militärbesatzung und Apartheid haben die Vereinten Nationen einen ersten konkreten und praktischen Schritt getan, um die Rechenschaftspflicht Israels für die andauernden Verletzungen palästinensischer Menschenrechte zu gewährleisten. Von palästinensischer Seite wird dieser Schritt herzlich begrüsst.“

Omar Barghouti, Mitgründer der Bewegung für Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS)

Das Büro des UN-Kommissars für Menschenrechte hat rund 150 Firmen auf der ganzen Welt schriftlich gewarnt, dass sie in eine Datenbank von Firmen aufgenommen werden könnten, die Geschäftsbeziehungen in und mit israelischen Siedlungen im besetzten Gebiet inklusive Ostjerusalem unterhalten. Dies berichtete die israelische Tageszeitung Haaretz am 28. September 2017.

Nickolay Mladenov, der verantwortliche UN-Beamte in Jerusalem, informierte kurze Zeit später den UN-Sicherheitsrat, dass ungeachtet diverser UN-Resolutionen „die illegalen israelischen Siedlungsaktivitäten mit hohem Tempo weitergehen“.

Auf juristischer Ebene herrscht zunehmend ein Konsens, dass Regierungen durch internationales Recht verpflichtet sind, jeglichen Handel mit Siedlungen zu verbieten.

Möglicher Dominoeffekt

Israelische Behörden haben bestätigt, dass viele Firmen – ohne konkrete Namen zu nennen – bereits auf das Schreiben reagiert haben, indem sie dem UN-Menschenrechtsbüro versicherten, sie würden alte Verträge in Israel nicht erneuern und keine neuen anstreben. „Diese Unternehmen können schlicht nicht zwischen Israel und den Siedlungen unterscheiden und beenden ihre gesamte Geschäftstätigkeit“, sagte ein hochrangiger israelischer Beamter gegenüber Haaretz. „Ausländische Unternehmen investieren nicht in etwas, das nach politischen Problemen riecht – das könnte einen Dominoeffekt haben.“ Damit bestätigt er den Bericht eines hochrangigen EU-Diplomaten an seine Kolleg_innen in Brüssel. In einem Memo vom Juni 2017 gab Lars Faaborg-Andersen, damaliger EU-Botschafter in Tel Aviv, zu, dass die EU über keine verlässlichen Instrumente verfügt, um Exporte aus Siedlungen von anderen israelischen Gütern zu unterscheiden.

Der Kommentar des israelischen Beamten widerspiegelt auch die Schlussfolgerungen eines geheimen Berichts zweier einflussreicher israelischer Lobbygruppen, der Electronic Intifada Anfang des Jahres zugestellt wurde. Der von der israelischen Regierung mitverantwortete Bericht kommt zum Schluss, dass ein Grossteil des „Kollateralschadens“ der BDS-Bewegung in Israel auf zunehmenden „stillen Boykott“ zurückgeht, indem Gruppen, Individuen und Unternehmen sich entscheiden, von Geschäftstätigkeiten in Israel abzusehen, ohne dies gross zu deklarieren, sei es, um die Rechte der Palästinenser_innen zu unterstützen oder einfach um „unnötige Probleme und Kritik zu vemeiden“.

Bekannte Namen

Im August 2017 veröffentlichte die Washington Post einige der Namen amerikanischer Unternehmen, die von der UN vor einer möglichen Aufnahme in die Datenbank gewarnt wurden. Darunter sind bekannte Firmen wie Caterpillar, TripAdvisor, Priceline.com und Airbnb. Laut Haaretz stammen rund 30 der 150 Firmen aus den USA und weitere aus Deutschland, Südkorea und Norwegen.

Die Washington Post erwähnt auch den starken Widerstand aus den USA gegen die Datenbank, deren Schaffung 2016 in einer Abstimmung des UN-Menschenrechtsrats beschlossen wurde. Nikki Haley, US-Botschafterin in der UNO, nannte die Datenbank „beschämend“ und erklärte, ihr Land erwäge einen Austritt aus dem Menschenrechtsrat. Israel hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um die Liste zu torpedieren. Laut Haaretz sind jedoch die meisten an diesen Bemühungen beteiligten Expert_innen der Meinung, eine Veröffentlichung der Datenbank im Dezember 2017 sei „unvermeidlich“.

Angesichts der drohenden Veröffentlichung der Liste haben US-Abgeordnete neue Rechtsvorschriften vorgeschlagen: das Anti-Boykott-Gesetz, mit dem massive Geld- und Gefängnisstrafen über Firmen und Firmenangestellte verhängt werden könnten, die sich an einem durch internationale Organisationen geförderten Boykott Israels und der Siedlungen beteiligen.

Verzweiflung in Israel

Wegen des intensiven Drucks der USA – und der langen Geschichte der Anbiederung der sogenannten Weltgemeinschaft an Israel – kann nicht ausgeschlossen werden, dass die UN-Behörden erneut kapitulieren. Vor zwei Jahren gab der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon israelischem und US-amerikanischem Druck nach und nahm Israel von einer UN-Liste von Staaten, in denen Kinderrechte massiv verletzt werden. Im März 2017 fügte sich Bans Nachfolger Antonio Guterres dem Druck der USA und verhinderte die Veröffentlichung eines Berichts, der zum Schluss kam, Israel praktiziere gegenüber den Palästinenser_innen Apartheid. Aus dem Bericht geht hervor, dass Forschung und juristische Analysen von UN-Gremien – wie dem UN-Zentrum gegen Apartheid – für zivilgesellschaftliche Aktivist_innen wichtige Ressourcen in ihren Bemühungen darstellten, „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen zu legitimieren und zur Bildung einer transnationalen Bewegung gegen die Apartheid in Südafrika beizutragen“. Der Bericht fordert ein ähnliches Vorgehen zur Beendigung der israelischen Apartheid. Die langjährige Campaignerin Adri Nieuwhof schrieb kürzlich auf Electronic Intifada, dass UN-Listen von Unternehmen, Sportler_innen und Unterhaltungskünstler_innen, die an der südafrikanischen Apartheid beteiligt waren, der internationalen Solidaritätskampagne einen gewaltigen Schub verliehen hatten. „Dass Israel die geplante Datenbank bereits im Keim ersticken möchte, ist ein Zeichen der Verzweiflung“, schrieb Nieuwhof. „Israel ist in den Köpfen von gewöhnlichen Leuten auf der ganzen Welt bereits ein Pariastaat. Wenn Israels Verbrechen nicht aufhören, wird seine Isolation weiter zunehmen.“

„Wir hoffen, dass der UN-Menschenrechtsrat standhaft bleibt und die vollständige Liste der Unternehmen veröffentlicht, die illegal mit oder in Siedlungen auf gestohlenem palästinensischem Land tätig sind, und wir hoffen, dass er diese Liste weiterführen wird, wie es der Menschenrechtsrat selbst im März 2016 gefordert hat“, erklärt BDS-Mitgründer Omar Barghouti. „Wenn die UN-Datenbank von Firmen, die sich an israelischen Menschenrechtsverletzungen beteiligen, richtig zur Anwendung gebracht wird, könnte dies der Anfang vom Ende der israelischen Straflosigkeit sein.“

 

Von Ali Abunimah
Mitgründer von The Electronic Intifada und Autor des Buchs The Battle for Justice in Palestine.

Originalartikel: https://electronicintifada.net/blogs/ali-abunimah/un-takes-first-step-end-israels-impunity
Übersetzung: BDS Schweiz

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